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28.4.2013

Facharbeit von Ronja H. - Untersuchung des Songtextes "Online"

Der Einfluss des Internets auf die Identitätsbildung Jugendlicher

- Untersuchung eines zeitgenössischen Songtextes-

Facharbeit Deutsch

Ronja H.

11.4.2014

 

Inhaltsverzeichnis


 

  1. Einleitung.................................................................................................................... 2

  2. Pädagogischer Exkurs: „Der Identitätsbegriff und eine Modellvorstellung zum Einfluss neuer Medien auf die Identitätsbildung“...................................................... 3

 

  1. Analyse: „Online“ -Die Versenker-............................................................................ 5

 

1. ................................................................................................................Fazit ........................................................................................................................10

4. Quellenverzeichnis.................................................................................................11

        5.1 Literaturverzeichnis       11

4.2 Internetquellen........................................................................................11

2............................................................................................................. Anhang

.......................................................................................................................12

 

  1. Einleitung

Die vorliegende Facharbeit befasst sich mit der Fragestellung, inwiefern das Internet Jugendliche vor allem in ihrer Identitäts-Entwicklung beeinflusst. Dazu werde ich einige Aspekte anhand einer Songtextanalyse herausarbeiten und mit Sekundärliteratur inhaltlich weiter ausführen. Davor werde ich mich in einem pädagogischen Exkurs zunächst näher mit der Definition des Identitäts-Begriffs beschäftigen und ein allgemeines Modell zur Beeinflussung von Medien auf die Identität ausarbeiten, auf welches ich meine analytischen Untersuchungen aufbaue.
Meine Überlegungen zur Themenwahl wurden durch ein You-Tube-Video angestoßen, welches den Poetry-Slam von Julia Engelmann zeigt. Diese fordert in ihrem Text dazu auf, aus der Passivität, in der wir unseren Alltag leben, auszubrechen und unser Leben in die Hand zu nehmen. Da dieses Video mich sehr beeindruckt hat, wollte ich zunächst eine Facharbeit über Poetry-Slam schreiben. Jedoch erkannte ich dann die Wirkung dieses Videos auf mich selbst und wurde so gegenüber dem Aspekt der Beeinflussung unseres Alltags durch das Internet aufmerksam. Durch einen weiteren Song-Text („Show“- Thomas D), in dem es darum geht, wie Menschen sich für ihr Umfeld maskieren, um zu vertuschen welche Probleme sie eigentlich mit ihrem realen Leben haben, kam mir der Aspekt der Identität und der Songtext „online“ von der Band „Die Versenker“ in den Sinn, welchen ich in meiner Facharbeit analysieren werde.
Mein Interesse an diesem Thema war außerdem durch den Umstand von Anfang an sehr groß, dass ich selbst davon betroffen bin, da ich als Jugendliche ebenfalls in meiner Identitäts-Bildung vom Internet beeinflusst werde und das Thema für mich somit sehr aktuell ist.

 

2. Pädagogischer Exkurs: Der Identitätsbegriff und eine Modellvorstellung zum Einfluss neuer Medien auf die Identitätsbildung
 

Allgemein wird der Begriff der Identität als Selbst-Definition eines jeden Individuums definiert.1

Die Identität beruht also auf dem „Ich“, da dieses die Selbst-Definition vollzieht. Doch wie kann dieses „Ich“ definiert werden? Die Definition des „Ichs“ ist von je her eine Frage, mit der sich verschiedenste Wissenschaften beschäftigen. Gerade durch die neusten Erkenntnisse der Hirnforschung sind nicht nur Philosophen und Psychologen, sondern allgemein auch die klassischen Naturwissenschaften nun an diesem Forschungsbereich beteiligt.
Doch klare Erkenntnisse gibt es dennoch nicht. Das „Ich“ gilt als undefinierbar, es kann noch nicht einmal bewiesen werden, dass es ein „Ich“ wirklich gibt. Und doch ist es als eine allgemein gültige Prämisse anzusehen, dass ein „Ich“ existiert.
Es ist jedoch nachweisbar, dass jeder Mensch ein Ich-Gefühl (Selbstbewusstsein im wörtlichen Sinne) besitzt. Die verschiedenen Stadien der Entwicklung dieses Ich-Gefühls können heute zeitlich ziemlich genau eingeordnet werden. Mit 18-24 Monaten beispielsweise hat sich das Ich-Gefühl soweit ausgebildet, dass Babys sich das erste Mal auf Fotos erkennen können.
Das Ich-Gefühl bildet sich nun immer weiter aus, bis es seine Vollendung größtenteils mit Abschluss der Pubertät erreicht, wenn sich aus dem einstigen Kleinkind mit erstem Ich-Gefühl eine gesellschafts-juristische Person als verantwortungsvoll handelndes Mitglied einer Gesellschaft entwickelt hat. Mit der Entwicklung dieses „Ich-Gefühls“ ist die Entwicklung der Identität untrennbar verbunden.2
Da vor allem die Pubertät noch einmal einen enormen Schub bei der Entwicklung des Ich-Gefühls und somit der Identität darstellt und viele die Identität maßgeblich bestimmenden Faktoren verändert beziehungsweise ausgebildet werden, ist es besonders interessant die Wirkung des Umfelds der Jugendlichen auf die Identitätsausbildung zu untersuchen.3

 

2 Precht, Richard David: Wer bin ich und wenn ja wie viele? [eine philosophische Reise] / München: Goldmann Verlag, 2007 (32. Auflage), S. 65-71 (bezogen auf beide vorigen Abschnitte)

3 http://www.fzpsa.de/paedpsych/Fachartikel/abschlussquali/qualimd/pubigeschl

 

Hierfür spielt in der heutigen Zeit auch der Gebrauch neuer Medien eine bedeutende Rolle, insbesondere das mobile Internet und soziale Netzwerke: Allgemein werden soziale Einflüsse über das Internet vermehrt kommuniziert und erlangen dadurch eine größere Wirkung auf die Identitätsbildung. Und auch die Selbstreflexion der Jugendlichen, welche eine bedeutende Rolle bei der Identitätsbildung hat, findet durch das Internet und seine hohe Aktualität eine ganz neue und direktere Quelle. Diese beeinflussenden Instanzen werde ich in meiner Facharbeit näher untersuchen.
Dazu habe ich eine Modellvorstellung in Form einer Wirkungs-Kette erarbeitet, die einen möglichen Herleitungs-Weg der Beeinflussung von Medien auf die Identität darstellt.

 

 

Diese Modellvorstellung beschränkt sich zunächst einmal darauf, dass die Medien, in dieser Facharbeit durch das Medium Internet besetzt, nur durch die Vermittlung von Werten Einfluss auf die Identitätsbildung nehmen. Außerdem zieht dieses Modell von Verhaltensmustern direkte Rückschlüsse auf charakteristische Identitäts-Merkmale, die dieses Verhalten begründen, was ebenso voraussetzt, dass die Identität das individuelle Verhalten bestimmt.
Dieses Modell macht es mir möglich, von Verhaltensmustern, welche durch das Internet verändert werden, auf die Identitäts-Merkmale und die zu Grunde liegende Wertevermittlung durch das Medium Internet zu schließen und so lyrische Texte auf die Fragestellung hin zu untersuchen, inwiefern das Internet Einfluss auf die Identitätsbildung nimmt.

 

3. „ONLINE“ -Die Versenker-
Der Liedtext „online“, welcher als Singleauskopplung des 2. Albums „Wertlos“ der Rock-Band „Die Versenker“ am 18.7.2013 erschienen ist, thematisiert die Verschiebung der Priorität vom realen Leben auf das virtuelle Leben, vor allem bezogen auf soziale Netzwerke im Internet.
Der Song besteht aus insgesamt 5 Strophen mit je 4 Versen, wobei nach der dritten und nach der fünften Strophe der Refrain eingeschoben ist. Nach dem zweiten Refrain folgt eine Bridge, nach der wiederrum der Refrain zum Abschluss zweimal wiederholt wird. Ein Metrum ist durch die musikalische Untermalung mit einem Beat nicht von Bedeutung.
Die Strophen sind in Paarreimen verfasst, jedoch weist je das letzte Vers-Paar der Strophen drei und fünf in beiden Fällen einen Unreim auf.
Der Refrain lässt sich in zwei Teile à vier Versen unterteilen und ist ebenfalls in Paarreimen verfasst. Die letzten beiden Verse im ersten Teil bilden jedoch keinen Reim, sowie auch der dritte Vers des zweiten Teils sich auf keinen anderen reimt. Dafür reimen sich im zweiten Teil der erste, zweite und vierte Vers aufeinander. Die Überleitung von den Strophen zum Refrain besteht wiederrum jeweils aus einem Paarreim.
Auch die Bridge lässt sich in zwei Teile je vier Versen aufteilen, die dem gleichen Schema entsprechen. Jedoch liegen hier Kreuzreime vor und der zweite und vierte Vers des zweiten Teils stellen keinen Reim dar.
Dabei liegen im gesamten Liedtext hauptsächlich männliche Kadenzen vor. Die einzige Ausnahme bildet der letzte Paarreim der ersten Strophe, welcher eine weibliche Kadenz darstellt.
Das lyrische Ich beschreibt in den ersten drei Strophen seinen Start in den Tag und die dominante Rolle, die das Internet darin spielt. In den anderen beiden Strophen erläutert es in allgemeinerer Darstellungsweise, wie das Internet unseren Alltag einnimmt und uns in unserem Verhalten bestimmt. Im Refrain beschreibt es die persönliche Beziehung, indem es das Internet als lyrisches Du anspricht und auf die Ebene einer festen Partnerschaft in Form einer Ehe hebt. Die Bridge beinhaltet die Gegenüberstellung von offline und online mit Nennung entsprechender Nach- beziehungsweise Vorteile.
Der vorliegende Liedtext macht deutlich, inwiefern die Online-Identität der sogenannten „Digital Natives“1 Teil der Offline-Identität dieser ist, indem dem Leben in der virtuellen Welt allererste Priorität zugeschrieben und somit das reale Leben maßgeblich davon beeinflusst wird.2 Die Identifikation über die Selbstdarstellung im Internet besonders im sozialen Netzwerk „facebook“ spielt hierbei eine große Rolle.
Schon in den ersten beiden Strophen wird deutlich, dass die virtuelle Welt erheblich über die reale Welt gestellt wird. Sogar tägliche Grundbedürfnisse und darauf beruhende Verhaltensmuster wie hier die körperliche Pflege am Morgen nach dem Aufstehen werden der „Pflege“ der Online-Identität untergeordnet und somit durch das Internet verändert (vgl. erste Strophe). Dafür wird es zum „Ritual“ (Z.5), nach dem Aufstehen zu allererst online neue Benachrichtigungen zu beantworten und sich über die neusten Ereignisse in der virtuellen Welt zu informieren oder diese zu kommentieren (vgl. Z.9).
Die Pflege dieses Rituals hat jedoch nicht nur eine psychische, sondern auch eine physische Bedeutung, wie in der Liedzeile „langsam sinkt der Blutdruck, langsam komm´ ich wieder klar“ (Z.10) beschrieben wird. Das lyrische Ich ist folglich so stark von seiner Online-Identität abhängig, dass es körperlich nur dann stabil ist, wenn es sich dem tadellosen Fortbestand seiner virtuellen Existenz sicher ist und sich auf dem aktuellen Informationsstand der virtuellen Welt wähnt. Es kann also eindeutig eine krankhafte Internetsucht des lyrischen Ichs diagnostiziert werden. Mit dieser Sucht geht einher, dass die Online-Identität nicht nur ein Teil der Offline-Identität ist, sondern diese quasi ersetzt. Diese Erkenntnis stellt im weiteren Verlauf die provokante Prämisse des Textinhaltes dar, wie noch an mehren Passagen erkennbar wird.

 

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Natives : „Als Digital Natives (dt.: digitale Eingeborene) werden Personen bezeichnet, die mit digitalen Technologien wie Computern, dem Internet, Mobiltelefonen und MP3-Player aufgewachsen sind.“

2 Last, Oliver: Einwandern ins Netz [Alt und Jung im Internet], Artikel veröffentlicht am 16. August 2013 auf der Internet-Plattform http://www.cj-lernen.de/material/einwandern-ins-netz/, Abschnitt „Übereinstimmende Identität“

 

Die Ironie dieser Prämisse wird unter anderem durch den Gebrauch von paradoxen Gegenüberstellungen deutlich, die gleichzeitig als Hyperbel charakterisiert werden können und in Umgangssprache verfasst sind. Aussagen wie „die wahre Welt ist zweidimensional“ (Z.6) oder „Facebook, tausend Freunde - wirklich kennen tu ich drei“(Z.7) belegen dies. Die an diesem Beispiel verdeutliche ironische Charakteristik ist auf den gesamten Liedtext zu beziehen und soll die Intention des Autors stützen (ebenso zieht sich der Gebrauch der genannten Stilmittel durch den gesamten Liedtext). „Die Versenker“ wollen mit ihrem Song Kritik am Umgang der Menschen mit dem Internet besonders im Rahmen sozialer Netzwerke üben: „Manche verbringen heutzutage lieber die Zeit im Internet, um sich dort selbst zu belügen, indem man sich in einer Form darstellt, wie es das reale Leben nicht hergeben würde. Doch durch die Vernachlässigung des realen Lebens wird leider die eigene Lebenssituation nicht besser.“1 Die Ironie des Textes soll den Hörer zur Selbstreflexion bezüglich seines eigenen Umgangs mit dem Internet und sozialen Netzwerken bzw. der Rolle seiner Online-Identität anregen.
Die nun folgenden ersten beiden Verse der dritten Strophe weisen auf die Rückmeldungs-Funktion sozialer Netzwerke hin. Als Beispiel hierfür dient wieder „facebook“. Der „Gefällt-Mir“ Button stellt eine Rückmeldungs-Instanz dar, welche als Folge eine Selbstreflexion und dadurch wiederrum Auswirkungen auf die Selbstdefinition beziehungsweise die Identitätsbildung hat. Außerdem bildet dieses System die Grundlage für den Online-Status.
Der Status stellt die Summe der gesamten Anerkennung und Ablehnung dar, die dem Individuum von seinem Umfeld entgegengebracht wird.2 Das Bemerkenswerte dieses Systems ist seine Geschwindigkeit und hohe Aktualität. Egal was auf „facebook“ oder allgemein im Internet veröffentlicht wird, es ist garantiert, dass die Rückmeldung sehr zeitnah erfolgt. Dies wird auch im Liedtext mit der Zeile „Oh, mein Mist von gestern ist ja auch schon kommentiert, Henning P. hat den „Gefällt-Mir“ Button aktiviert.“ (Z. 11f) deutlich. Dabei weist die Wertung des negativ konnotierten, umgangssprachlichen Wortes „Mist“ erneut auf den ironischen Charakter des Songs hin. Da also der Status als bewertende Instanz den Jugendlichen permanent Rückmeldungen gibt, wird auch die Identitätsbildung dauerhaft beeinflusst und passt sich den durch den „Gefällt-Mir“ Button unterstützten Werten der Internetgesellschaft an.
Diejenige Instanz, welche festlegt, was für Werte in Form von Trends vermittelt werden, wird als „Jugendkultur“ bezeichnet. Das Erstaunliche an Jugendkulturen ist, dass sie keine demokratische Struktur haben, sondern die Zahl der Individuen, welche den Kern der Jugendkultur bildet und

 

1 Laut Aussage von: Tobias Görtzen (Bassist/Sänger der „Versenker“)

2 Pilarczyk, Hannah: Sie nennen es Leben [werden wir von der digitalen Generation abgehängt?] / Mün chen: Wilhelm Heyne Verlag, 2011 (S.50)

 

somit direkten Einfluss auf die Trends hat, ein Bruchteil derer ist, die dem Trend dann folgen und die Werte übernehmen.1 Die Ausdifferenzierung dieser Jugendkulturen führt zur Bildung von Jugendstilen, welche eine bedeutende identitätsstiftende Funktion bei Jugendlichen haben. Da Jugendliche sich im Gegensatz zur Erwachsenen noch nicht über den Beruf, das Einkommen oder den gesellschafts-politischen Einfluss identifizieren und dies untereinander vergleichen können, nimmt diese Rolle die Rückmeldung des Internets und die Zugehörigkeit zu einem sogenannten „Jugendstil“ ein.2 Je nachdem, welchem Jugendstil sie sich anschließen, werden andere Werte an sie vermittelt und so andere charakteristische Identitätsmerkmale ausgebildet. „Die Jugendszenen bilden die Bühnen, auf denen über die Inszenierung des Ichs Fragen des Glücksanspruchs, der gegenwärtigen inneren Verfassung, aber auch der zukünftigen Sinnorientierung ausgehandelt werden.[…] Die Stilbildungen der Jugendkulturen sind also kein bloßes Oberflächenphänomen, sondern ein subjektiv hochbesetztes, […] geradezu existentielles Medium für die eigene Personalisation.“3 Das Internet selber hat in diesem Fall indirekten Einfluss auf die Identität, da es als beschleunigende Vermittlungsinstanz fungiert und außerdem die Vielfalt der Jugendstile über das direkte Umfeld der Jugendlichen hinaus zugänglich macht.
Die letzten beiden Verse der dritten Strophe hängen inhaltlich mit der aus zwei Versen bestehenden Überleitung zusammen. Beschrieben wird die Vielfältigkeit und Mobilität des Internets heutzutage und die daraus hervorgehende dauerhafte Möglichkeit „online“ zu sein (vgl. Z.13-16), wodurch die permanente Rückmeldung garantiert wird.
Die vierte Strophe beinhaltet den Aspekt der Informationsvielfalt, die das Internet bietet. Da sich „weltweit […] jeder kleine, graue Pfau [präsentiert]“ (Z.27) und „hemmungslos […] jeder sein privates leben preis[gibt]“ (Z.25), herrscht besonders in sozialen Netzwerken eine unverhältnismäßige Informationsflut, die nicht selten als „Informationsmüll“ charakterisiert werden kann (vgl. Z.26).
Unteranderem ist für die Informationsflut im Netz folgender Aspekt verantwortlich: „Jugendliche im Web 2.0 gelten als besonders exhibitionistisch.“ Sie sind nur auf ihre Selbstinszenierung aus und spielen mit den Grenzen von Privat und Öffentlich. Durch dieses „Austesten“ von Grenzen versuchen sie ihre Rolle beziehungsweise Position in der Gesellschaft zu finden, also ihre Identitäts-Bildung voranzutreiben. Dieses Verhalten ist jedoch nicht neu, es kann nur durch das

 

1 Vollbrecht, Ralf: Jugendmedien [Grundlagen der Medienkommunikation] / hrsg. Von Erich Straßner; Tübingen: Niemeyer, 2002; S.63

2 Pilarczyk, Hannah: Sie nennen es Leben; S.48

3 Vollbrecht, Ralf: Jugendmedien; S.65

 

Internet in größeren und extremeren Ausmaß praktiziert werden. 1
In der fünften Strophe wird noch einmal der Aspekt der Identität beleuchtet. Die Aussagen der ersten beiden Verse geben Hinweise darauf, dass die Identifikation des lyrischen Ichs ausschließlich über das Internet erfolgt. Aktivitäten im Internet werden als „Lebenssinn“ (Z. 29) angesehen und nur die Online-Identität bzw. die „google“-Ergebnisse, welche die Präsenz des Individuums im Netz wiedergeben, scheinen etwas darüber auszusagen, wer man ist (vgl. Z.30).
Die Identifizierbarkeit im Internet ist für Jugendliche heute von großer Bedeutung. Es ist für sie wichtig, im Netz gefunden werden zu können, Anonymität wird nicht mehr wertgeschätzt2; durch diesen Trend wird auch das Spiel mit einer zweiten Identität im Internet für ältere (pubertierende) Jugendliche zunehmend unattraktiv. Stattdessen ist die Online-Identität Teil der Offline-Identität und soll nicht davon abgegrenzt werden. Ziel der Jugend ist es heute, die Online-Identität als Ergänzung zur Offline-Identität zu gebrauchen und ihre „wahre“ Identität als eine harmonische Einheit aus beiden zu schaffen beziehungsweise zu finden. 3 Diese Harmonie zwischen dem virtuellen und realen Leben ist für Jugendliche auch deshalb so wichtig, da sie eben nicht mehr anonym sind und ihr realer Freundeskreis den wichtigsten Teil des virtuellen Freundeskreises ausmacht. Eine Widersprüchlichkeit zwischen Online- und Offline-Identität würde somit nicht unentdeckt bleiben. Überhaupt ist es ein Irrtum, dass durch soziale Netzwerke wie „facebook“ die Vielfalt der Kommunikationspartner größer wird. Stattdessen wird nur die Kommunikation in der realen Welt auf die der virtuellen ausgeweitet. Offline-Freunde sind somit auch Online-Freunde.4
Die letzten beiden Verse der fünften Strophe deuten auf die einfache Zugänglichkeit zum Internet als Massenmedium durch preiswerte Internetflatrates hin und stellen die virtuelle Welt provokant als Vollendung des Menschheitstraumes dar (vgl. Z. 31f).
In der folgenden Überleitung zum Refrain erfolgt inhaltlich noch einmal ein Rückbezug zur hohen Aktualität des Internets (vgl. Z.33) und der Aspekt der Internetkriminalität, welche durch das Internet erheblich vereinfacht wird, wird genannt, wobei in diesem Zusammenhang eine Anspielung auf die Band selbst erfolgt (vgl. Z.34).

 

1 Pilarczyk, Hannah: Sie nennen es Leben; S.104

2 Pilarczyk, Hannah: Sie nennen es Leben; S.108

3 Pilarczyk, Hannah: Sie nennen es Leben; S.168

4 Pilarczyk, Hannah: Sie nennen es Leben; S.77

 

Die zweiteilige Bridge setzt den Kontrast zwischen „online“ und „offline“. Dabei werden mit dem Begriff „online“ positive Wirkungen wie Erfolg, Ansehen, Aktualität und sexuelle Befriedigung (wobei dieser Aspekt auf Internet-Pornografie anspielt und wieder deutlich der Ironie des Songs zuzuordnen ist) verbunden. Wer jedoch „offline“ ist „bleibt kleben“ (Z. 38), ist also nicht auf dem aktuellen Stand und somit auch gesellschaftlich außen vor, was in den letzten beiden Versen des zweiten Teils deutlich wird, wo der Zustand „offline“ mit dem Tod gleichgesetzt wird.
Die zwei Teile des Refrains weisen textlich nur geringfügige Differenzen auf: Der letzte Vers des zweiten Teils wird gegenüber dem des ersten Teils von „mal so nebenbei“ (Z.20) in „Ich bin nie mehr allein!“ (Z.24) verändert.
Es wird die Beziehung des lyrischen Ichs mit dem abstrakten Medium Internet beschrieben, wobei dieses personifiziert als lyrisches Du jeweils im zweiten Vers in „Für immer mit dir zusammen sein“ (Z.18/22) angesprochen wird. Diese direkte Ansprache im Refrain des Liedes, welche hier quasi einer Widmung entspricht, bringt die große und innige Liebe des lyrischen Ichs zum Internet zum Ausdruck.
Die Beziehung wird weitergehend auf die Ebene einer rechtlichen bzw. kirchlichen Eheschließung, wie sie unter Menschen üblich ist, erhoben (vgl. Z.18f/22f).
Auffallend ist außerdem der dem Stilmittel einer Anapher entsprechenden Gebrauch des Ausdrucks „Für immer“, welcher je die ersten beiden Verse einleitet. Dieses Stilmittel soll noch einmal die mit einer Ehe gleich zu setzenden Beziehung hervorheben. Dieser Funktion kann ebenso der Ausruf „Ich bin nie mehr allein!“ (Z.24) zugeordnet werden.
Konträr dazu steht der restliche Inhalt des Refrains: Die Verse „ […] , gerade eben, mal so nebenbei“ (Z.19f) zeugen von der Oberflächlichkeit, Selbstverständlichkeit und Nebensächlichkeit der Beziehung zum Internet, was wiederrum den ironischen Charakter des gesamten Songs wiederspiegelt. Demnach ist das Internet zwar immer im Leben präsent, jedoch eher als eine Art Parallelwelt in der Oberflächlichkeit und Übertreibungen beziehungsweise Verfälschung zur Identifikation des Individuums dienen. Da es im Internet sehr leicht ist sich eine andere „schöne neue Welt“ aufzubauen, dient es als „Trostpflaster“ für die reale Welt. Die Verschiebung der Priorität von Online- und Offline-Identität des lyrischen Ichs rührt somit vom Frust über das eigene reale Leben her, wie sich auch mit der Intention des Interpreten vereinbaren lässt, der genau vor diesem Zustand warnen will. Je größer also der Frust in der realen Welt ist, desto stärker fühlt sich das lyrische Ich zum Internet hingezogen und hat das Verlangen sich nur noch über die „bessere“ Online-Identität zu identifizieren.
 

4. Fazit
Zusammenfassend können also folgende Aspekte festgehalten werden: Das lyrische Ich in diesem Text flüchtet sich aus dem wahrscheinlich problematischen realen Leben in seine Online-Identität, was zur Folge hat, dass das reale Leben dem virtuellen untergeordnet wird und es zu einer Internetsucht kommt, welche die Veränderung von Verhaltensweisen, psychische und physische Auswirkungen nach sich zieht.
Doch es können aus diesem übertriebenen Fallbeispiel ebenso Rückschlüsse auf die Wirkung des Internets auf Jugendliche, besonders auf deren Identitätsbildung gezogen werden.
Zunächst einmal erlaubt das Internet ein größeres Maß an Selbstreflexion, da virtuell mehr Personen auf einmal Zugang zu den Informationen des Individuums haben und somit mehr und vor allem schneller Rückmeldung erfolgen kann, wodurch die Selbstreflexion ausgelöst bzw. gefördert wird. Außerdem findet eine gewisse Identifikation über den Erfolg im Internetauftreten statt, welcher zum Beispiel über „facebook“ durch „Likes“ oder über „google“-Ergebnisse definiert wird und mit Alternsgenossen verglichen werden kann. Diese Identifikation sollte jedoch immer eine Ergänzung der Identität darstellen und mit dem realen Auftreten harmonieren. Des Weiteren bietet das Internet durch seine Vielfalt nicht nur bezogen auf verschiedenste Nutzungs-Möglichkeiten oder Informationen, sondern auch über die Vernetzung über nationale und internationale Grenzen hinweg, die Möglichkeit sich verschiedensten Gruppierungen zuzuordnen und deren Werte zu übernehmen, welche wiederrum für die Entwicklung der Identität relevant sind.
Zuletzt wird durch das Internet auch ein neuer Spielraum für das Austesten von Grenzen geschaffen, was Jugendlichen dabei hilft, ihre gesellschaftliche Position zu finden, welche das Ziel einer erfolgreichen Identitätsbildung darstellt.
Die Identifikation durch das Internet ist also als eine Ergänzung zur virtuell unabhängigen Identitäts-Entwicklung anzusehen. Durch den Gebrauch des Internets wird die Identitäts-Entwicklung nicht vollständig verändert, sie wird nur auf andere Ebenen ausgeweitet und durch diese beeinflusst. Es verändern sich die Konzentration und die Wirkungsweisen der beeinflussenden Instanzen, nicht aber die Anzahl oder die Instanzen selber.

 

5. Quellenverzeichnis

5.1 Literaturverzeichnis

Precht, Richard David: Wer bin ich und wenn ja wie viele? [eine philosophische Reise] / München: Goldmann Verlag, 2007 (32. Auflage)

Pilarczyk, Hannah: Sie nennen es Leben [werden wir von der digitalen Generation abgehängt?] / München: Wilhelm Heyne Verlag, 2011

Vollbrecht, Ralf: Jugendmedien [Grundlagen der Medienkommunikation] / hrsg. Von Erich Straßner; Tübingen: Niemeyer, 2002

5.2 Internetquellen


http://de.wikipedia.org/wiki/Sexuelle_Identit%C3%A4t
 

http://www.fzpsa.de/paedpsych/Fachartikel/abschlussquali/qualimd/pubigeschl

http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Natives
: Eva Windisch & Niclas Medman: Understanding the digital natives. In: Ericsson Business Review. 1/2008, S. 36–39

http://www.cj-lernen.de/material/einwandern-ins-netz/ : Last, Oliver: Einwandern ins Netz [Alt und Jung im Internet], Artikel veröffentlicht am 16. August 2013, Abschnitt „Übereinstimmende Identität“


Textgrundlage:
http://www.reverbnation.com/dieversenker/songs

 

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